Für meinen Künstlerkollegen Slawa
und mich von Mai bis Juni 2000
der schönste Platz Berlins.
Der Architekt Walter Grunwald hatte die Vision einer Farbabfolge
nach antikem Vorbild.
Berlin Gendarmenmarkt
Größe: je 2,50 x 3,60 m
Material: Acrylfarbe
Wandmalerei in der Gaststätte "Refugium" Paravan, 2000
Französischer Dom
10117 Berlin, Gendarmenmarkt 6
Das Refugium am Gendarmenmarkt
Eben als sich im Jahre 1701 in Königsberg der erste preußische König die Krone auf´s Haupt setzte, begann man in Berlin die "Französische Friedrichstadtkirche" zu bauen.1705 ward sie fertig, ein schlichtes Barockgebäude war entstanden, Gotteshaus für die gerade in der Friedrichstadt wohnenden französischen Protestanten. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie arg zerstört. Beim Wiederaufbau zog man in das Kirchenschiff eine Zwischendecke ein und gewann so ein Souterraingeschoß. Das beherbergt jetzt das Restaurant "Refugium", Verwaltungsräume und einen Tagungsraum der Evangelischen Akademie.
Gleich wenn der Gast die Stufen heruntersteigt, leuchten ihm dezente Farben entgegen. Eine Raumflucht öffnet sich, vorn der Gastraum in einem zarten Kontrast von Hellblau und Gelb, hin zu einem runden Mitteltrakt in kräftigem Pompejanisch Rot und hinten, gleichsam spiegelverkehrt zur Gaststätte, der Tagungssaal in Gelb und Blau - Farben ganz im Stile des 18. Jahrhunderts und doch auch modern!
Die Farben haben zwei Berliner Künstler, Frank Beutel und Slawa Schljachow ausgewählt. Daraus ergaben sich weiterführende Ideen für Wandgemälde im vorderen Gastraum. Zuerst entstanden zwei seitliche Bilder zwischen den gebogenen Pilastern, die sternförmig zur Mitte der Decke streben. Dann stellte sich heraus, daß der Raum eine akustische Dämpfung brauchte. Zwei in sich geschwungene, leinenbespannte Gebilde an der Decke sollten das leisten und was lag näher, als auch die zu bemalen.
Der Architekt schwärmte von antiker, pompejanischer Malerei und die beiden Maler ließen sich gern davon anregen. Dazu kam der Dialog mit dem achtzehnten Jahrhundert, die Architektur der Räume spielt ja mit vielen Bögen und Rundungen, ganz dem Gesamtcharakter des Kirchenbaus entsprechend. So kommen Erinnerungen an die Landschaftsräume und die Farben italienischer oder französischer Wandbilder auf. Beutel und Schljachow lösen aber die Wand nicht in illusionäre Weiten auf, wie wir sie aus dem Barock kennen. Eine Treppe führt bei den Deckengemälden in das Bild hinein, aber dann wird der Hintergrund doch bald geschlossen. Bäume. Büsche, Blumen grenzen einen eher intimen Parkraum ab.
Man sitzt an einem der Tische, läßt sich die Speisen munden und entdeckt auf den Bildern immer etwas Neues. Da leuchten Trompetenblüten aus dem Hintergrund hervor, allerhand Mobiliar oder Stilleben mit schönen Glas- oder Keramikgefäßen finden sich, ein Hahn stolziert über die Treppen des Vordergrundes, fast versteckt hinter den etwas groß geratenen Vasen vor den seitlichen Gemälden läuft ein anderer Vogel über die Bildfläche. Mit wenigen, charakteristischen Pinselstrichen ist das faszinierend schwungvoll hingemalt, hier hat die pompejanische Malerei auf eine gute Weise Pate gestanden.
Der Architekt wollte offensichtlich einen modernen Akzent gegen die Dominanz barocker Raumformen setzen. Hier wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen, die recht technoiden Deckenlampen und das betont sachliche Raster der metallischen Glastüren ergeben doch keinen bis ins Letzte stimmigen Zusammenklang zu den Kunstwerken und den anderen, feinen Farb- und Formwerten des Interieurs. Ich hätte mir gewünscht, daß die Malerei in dem Ensemble noch deutlicher den entscheidenden Akzent setzt.
Dennoch, es ist ein Kleinod von Architektur, Kunst und Gaststättenkultur entstanden, etwas Besonderes, so recht diesem wohl schönsten Platz Berlins und seiner Architektur angemessen.
Dr. Klaus Weidner