Entwurf und Ausführung:
Frank Beutel
Material: Acryl / Putz
Größe: 3 x 10 m
Wandmalerei "IRRWIRR", 2019
15738 Zeuthen, Fontaneplatz
Was nicht sehr einladend klingt, kann doch sehr einladend sein: „Hankels Ablage“. Es klingt nach „Berliner Alltagsgeschichte“, was der Roman „Irrungen, Wirrungen“ ja auch ist. Aber Botho hat „von dessen Schönheit und Einsamkeit [...] wahre Wunderdinge gehört“, und für Lene ist es „ein glücklicher Gedanke, der uns hierherführte“. Für uns, meine Frau und mich, war es immer ein „glücklicher Gedanke“, der uns nach Zeuthen führte, und heute ist es ein besonders glücklicher, da er uns mit Ihnen zu einem schönen Fest zusammenführt.
Einen besseren Ort kann es dafür nicht geben. Wohl tönt es im Fontanejahr aus allen Ecken Brandenburgs: „Fontane ist hier gewesen“. In Zeuthen ist er wirklich (und nicht nur einmal) gewesen. Was mehr zählt: Kaum ein Ort in Brandenburg hat in Fontanes Werk so eindrückliche Spuren hinterlassen wie dieser: vom Boot, vom Zug, von der See- und Landseite aus ... wenn gegen Abend der Widerschein der tief stehenden Sonne die Kiefernstämme rot aufglühen lässt oder wenn im „Gezweig der alten Ulme, das im Dunkel einem phantastischen Gitterwerke gleicht, allerlei Lichtstreifen über den Strom hin blitzen“. Hankels Ablage ist eben auch ein literarischer, ein poetischer Ort, in den freilich Störungen jederzeit eindringen können.
Von dieser Spannung lebt - so verstehe ich es - das Wandbild unseres Künstlers: Auf der einen Seite die Poesie der Einsamkeit unter Bäumen, auf der anderen ein Badenixentrio, das sich, diese Einsamkeit empfindlich störend, mit Spiel und Spaß in den Vordergrund drängt. Die uns den Rücken zuwendet, könnte die „wohlarrondierte Königin Isabeau“ aus unserem Roman sein. Und der Wirt von Hankels Ablage muss es wissen, wenn er vom „Berliner“ sagt: „Er spielt dann am liebsten Reifen“, Berlinerinnen eingeschlossen. Die Herren im Hintergrund tun wohl das, was sie ohnehin am liebsten tun: Ich tippe auf Bowle.
Das Frappierende an diesem Bild aber ist, dass es auch eine andere Lesart zulässt. In „Stine“ erzählt Stine von ihrer schönsten Landpartie. Da wären sie die Spree hinauf „bis in die Einsamkeit gefahren, bis an eine Stelle, wo nur ein einziges Haus mit einem hohen Schilfdach am Ufer gestanden habe. Da wären sie gelandet und hätten Reifen gespielt. Ihr aber sei das Herz so zum Zerspringen gewesen, daß sie nicht habe mitspielen können, wenigstens nicht gleich, weshalb sie sich unter eine neben dem Hause stehende Buche gesetzt und durch die herabhängenden Zweige wohl eine Stunde lang auf den Fluß und eine drüben ganz in Ampfer und Ranunkeln stehende Wiese geblickt habe, mit einem schwarzen Waldstreifen dahinter. Und es sei so still und einsam gewesen, wie sie gar nicht gedacht, daß Gottes Erde sein könne.“ Ersetzen wir Buche durch Birke und legen wir die Wiese unserer Stine zu Füßen, dann haben wir ein ähnliches Bild, das wiederum von der Spannung zwischen Einsamkeit und feucht-fröhlicher Geselligkeit lebt.
Dem Künstler ist mit IRRWIRR ein Kunststück geglückt: zwei Romane in einem Bild, wenigstens erlaubt das Bild diese doppelte Sicht. Das ist mehr, als man wünschen kann. Ein großer Glückwunsch gebührt dem, der dies geschaffen hat. Frank Beutel lässt uns in die Romanwelt Fontanes mit den Augen des Malers sehen. „Ich habe mein Leben unter Malern verbracht“, bekannte Fontane im Alter; und deshalb hätte ihm diese Hommage besonders viel Freude gemacht. Zeuthen, durch Lage und Literatur ohnehin begünstigt, ist ab heute um einen malerischen Anziehungspunkt reicher ...
Aus der Festrede des Ehrenpräsidenten der Theodor Fontane Gesellschaft
Professor Dr. Hubertus Fischer am 7. September 2019